Gebetsfahnen erobern die Welt – aber was bedeuten sie eigentlich?
Tibetische Gebetsfahnen, auch als «Lungta Darchog» bekannt, sind fröhliche und zugleich symbolgeladene Stoffwimpel, die eine wichtige Rolle im tibetischen Buddhismus und in der tibetischen Kultur spielen. Die Fahnen sind in den Himalaya-Regionen weit verbreitet, erfreuen sich aber rund um die Welt zunehmender Beliebtheit. Die Tibeter glauben, dass die darauf gedruckten Gebete und Mantras durch den Wind verbreitet werden und allen Wesen Wohlwollen und Mitgefühl bringen.
Die Gebetsfahnen haben ihren Ursprung wahrscheinlich in Indien. In den tibetischen Kulturkreis kamen sie, als der 17. König des Reiches die Bevölkerung dazu aufforderte, Mantras in Form von Gebetsfahnen an Gebäuden und in der Natur aufzuhängen. Die bunten, rechteckigen, bedruckten Tücher sind ein faszinierendes Beispiel für die Verbindung von Religion, Kultur und Natur. Der einfache Akt des Aufhängens wird oft als eine Handlung der Güte und des Mitgefühls betrachtet, die dazu beiträgt, das Wohl aller Lebewesen zu fördern. Gebetsfahnen werden gerne an glückverheissenden Tagen gehisst, so während des tibetischen Neujahrsfestes «Losar» und am Saga-Dawa-Fest, an dem der berühmte Tarboche-Fahnenmast am heiligen Berg Kailash ausgetauscht wird.
Allen Gebetsfahnen gemeinsam sind ihre Farben, welche die fünf Naturelemente symbolisieren: Gelb steht für die Erde. Grün symbolisiert das Wasser. Rot repräsentiert das Feuer. Weiss steht für die Luft (Wolken und Wind). Blau steht für die Leere (Himmel und Raum).
Am berühmtesten: das Windpferd-Motiv
Das Windpferd oder «Lung-ta» ist das am häufigsten verwendete Symbol auf Gebetsfahnen. In der Mitte befindet sich ein mächtiges Pferd, das drei flammende Juwelen auf seinem Rücken trägt. Diese Juwelen stehen für die drei Eckpfeiler der tibetischen Tradition: den Buddha, den Dharma (die buddhistischen Lehren) und die Sangha (die buddhistische Gemeinschaft). Das Pferd («Ta») ist ein Symbol für Schnelligkeit und die Verwandlung von Unglück in Glück. Darum herum sind Mantras und heilige buddhistische Symbole angeordnet. In den Ecken der Gebetsfahnen befinden sich Abbildungen von vier mächtigen Tieren, die auch als die vier Würden bekannt sind und sowohl mit den vier Himmelsrichtungen als auch mit verschiedenen Aspekten eines Bodhisattva assoziiert werden können: der Drache (sanftmütige Macht, Westen), der Garuda (Weisheit, Norden), der Tiger (Zuversicht und Vertrauen, Süden) und der Schneelöwe (furchtloses Glück, Osten).
Andere beliebte Motive
Buddha. Buddha ist ein Titel für einen weisen Menschen, der Erleuchtung erlangt hat und dem Kreislauf von Wiedergeburt und Tod entkommen ist. Buddhisten verehren Buddha als ein erleuchtetes Wesen, aber nicht als göttliche Entität. Die buddhistische Lehre betont, dass in jedem Menschen das Potenzial liegt, ein Buddha zu werden und Erleuchtung zu erlangen.
Medizin Buddha. Im Mahayana-Buddhismus wird der Medizin Buddha als eine heilende Figur verehrt. Die Verehrungspraxis umfasst das Rezitieren von Mantras und das Singen von Lobgesängen, um Krankheiten zu lindern und Hindernisse zu beseitigen. In Darstellungen wird er mit einem blauen Körper gezeigt, der in der Vajra-Haltung auf einem Lotus sitzt und eine Schale mit heilendem Nektar hält.
Weisse und Grüne Tara. Tara steht für tugendhaftes und erleuchtetes Handeln. Sie sorgt für Langlebigkeit, schützt irdische Reisen und beschützt ihre Anhänger auf ihrem spirituellen Weg zur Erleuchtung. Die Weisse Tara verkörpert den mütterlichen Aspekt des Mitgefühls. Ihre weiße Haut symbolisiert Reinheit, Weisheit und Wahrheit. Die Grüne Tara verkörpert das aktive Mitgefühl, schützt die Menschen vor Angst und gibt ihnen Sicherheit.
Guru Rinpoche. Padmasambhava, der berühmte Heilige des achten Jahrhunderts, war eine zentrale Figur bei der Gestaltung der Geschichte des Buddhismus in Tibet. Der als zweiter Buddha verehrte Guru Rinpoche («Kostbarer Guru») besiegte die lokalen Gottheiten und Dämonen Tibets und verpflichtete sie durch einen Eid, Hüter des Buddhismus zu werden.
Gyaltsen Tsenpo. Dies ist eine häufige Gebetsfahne, besonders zu Neujahr, die neue Unternehmungen und Anfänge symbolisiert. Gyaltsen Tsenpo Gebetsfahnen sind mit Sutren bedruckt, die Buddha dem Götterkönig Indra gegeben hat, um seine Feinde zu besiegen und den Sieg zu erringen.
Mantras: Die häufigsten Mantras auf den Gebetsfahnen sind das «Om Mani Padme Hum», was im Deutschen mit «Oh du Juwel in der Lotusblüte» übersetzt werden kann. Jede Farbe ist einer Silbe des Mantras zugeordnet. Es bedeutet, dass wir auf dem Pfad des Lebens können mit Willen und Weisheit den reinen Körper, die reine Rede und den reinen Geist eines Buddha erreichen können. Das Wiederholen von Mantras wird als heilsam angesehen, und die Gebetsfahnen helfen uns dabei.
Ashtamangala: Die acht glückverheissenden Symbole des Buddhismus, auch bekannt als Ashtamangala, sind oft auf den Gebetsfahnen zu sehen. Diese Symbole sollen Glück und Wohlstand bringen.
Fragen und Antworten
Sind Gebetsfahnen nur für Buddhisten gedacht?
Es ist nicht nötig, ein Buddhist zu sein, um Gebetsfahnen aufzuhängen. Manche mögen sie allein wegen ihrer dekorativen Fröhlichkeit. Und ob religiös motiviert oder nicht: Schon durch das Aufhängen der Fahnen wird Positivität und Wohlwollen verbreitet.
Wie hänge ich sie richtig auf?
Sie finden fast überall einen guten Platz: im Garten, auf dem Balkon, unter dem Dach, an einem Mast, aber auch in der Wohnung. Je höher sie hängen, desto besser können sie ihre Mantras in die Welt tragen. Beim Hissen von Gebetsfahnen sollte man eine gute Motivation haben, ohne egoistische oder einschränkende Gedanken, und allen Lebewesen Glück wünschen.
Wie entsorge ich Gebetsfahnen richtig?
Die tibetische Tradition betrachtet Gebetsfahnen als heilig. Sie sollen deshalb respektvoll behandelt und nicht auf den Boden gelegt oder in den Müll geworfen werden. Wenn man alte Gebetsfahnen entsorgen möchte, sollte man sie verbrennen, damit der Rauch ihre Segnungen in den Himmel tragen kann. Man kann sie aber auch einfach verblassen lassen, bis sie sich auf natürliche Weise auflösen, und neue Gebetsfahnen zusammen mit den alten aufhängen. Der Kontrast von Alt und Neu erinnert an die Vergänglichkeit und den ständigen Kreislauf von Geburt und Tod.
Welches Material soll ich wählen?
Wir bieten Gebetsfahnen aus verschiedenen Materialien an. Persönlich ziehen wir die traditionellen Gebetsfahnen aus Baumwolle vor. Sie verblassen schneller als synthetische Fahnen und können gefahrlos verbrannt werden. Die Tatsache, dass sie nicht von Dauer sind, ist Teil ihrer Natur und erinnert an die zentrale buddhistische Lehre der Vergänglichkeit. Wer es vorzieht, Fahnen mit längerer Lebensdauer aufzuhängen, kann jene mit Polyester-Anteil nehmen. Für den Innenraum sind auch die Lokta-Papier-Varianten geeignet.